Das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) ist ein Meilenstein, und die Zahlen von rund 22.000 Änderungen machen deutlich, dass viele Menschen auf eine menschenrechtskonforme Möglichkeit der Vornamens- und Personenstandsänderung gewartet haben. Trans*-, inter*geschlechtliche, nicht-binäre und agender Personen sind nicht länger Bürger*innen zweiter Klasse und müssen sich von fremden Menschen pathologisieren lassen.
dgti – für geschlechtliche Selbstbestimmung aktiv
Die dgti hat sich mit anderen Organisationen über 20 Jahre dafür eingesetzt, dass das diskriminierende Transsexuellengesetz abgeschafft wird. 2000 gab es den ersten Community-Entwurf unter Federführung der dgti für ein neues Gesetz, 2012 schließlich ein bundesweites Community-Positionspapier, dessen Inhalte sich im Wesentlichen mit dem Selbstbestimmungsgesetz decken. 2017 gab es eine Bundesratsinitiative zur Reform des Transsexuellengesetzes, ausgehend von einer Unterschriftenaktion der dgti. Den Gesetzgebungsprozess vom SBGG hat die dgti mit Stellungnahmen und Hintergrundgesprächen intensiv begleitet.
Von daher ist die Einführung am 1.11.2024 ein historischer Moment gewesen, und viele, viele Menschen haben sich sehr gefreut. Die bisherige Regelung, trans* und nicht-binären Personen per se das Wissen über das eigene Geschlecht abzusprechen und fremd zu begutachten, wurde mit dem Selbstbestimmungsgesetz abgelöst. Auch die Pathologisierung von inter*geschlechtlichen Menschen durch die ärztliche Attestierung einer Variante der Geschlechtsentwicklung für eine Änderung nach PStG 45b wurde damit aufgehoben. Neu ist die Möglichkeit, dass alte Vornamen in einer Eheurkunde nicht aufgenommen werden müssen, wenn eine Änderung durch das Selbstbestimmungsgesetz erfolgt ist und dies gewünscht wird. Hier greift endlich das Offenbarungsverbot. Dazu kam ein bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot, was auch für Personen gilt, die das TSG-Verfahren durchlaufen haben oder eine Änderung nach §45b PStG erklärten.
Verbesserungspotential im Selbstbestimmungsgesetz
Kritisch sieht die dgti nach wie vor mehrere Punkte:
Die Regelungen zu trans* Elternschaft basieren auf biologistischen Annahmen und verwehren trans* Personen die rechtliche Anerkennung ihrer sozialen Elternrollen. Queere Elternschaften sind heute längst möglich und auch bereits im Recht abbildbar. Deutlich wird hier die konservative Grundhaltung des Gesetzgebers, queere Elternschaften nicht vollständig anzuerkennen. Dabei bedürfte es hierzu nur einer geringfügigen sprachlichen Anpassung in zwei Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Eine im Selbstbestimmungsgesetz angekündigte Reform des Abstammungsrechts steht noch aus.
Echte Selbstbestimmung traut der Gesetzgeber weiterhin den Menschen nicht zu, denn die Zugänge zum Gesetz sind begrenzt: Jugendliche über 14 benötigen die Zustimmung ihrer Sorgeberechtigten, ebenso ist die Wirksamkeit der Änderung des Geschlechtseintrags bei Ausländern im Falle eines Ereignisses, dass zur Abschiebung führt, begrenzt. Hier werden geflüchtete trans* Personen unter Generalverdacht gestellt.
Auch die Einführung einer 3-Monats Anmeldefrist für die Erklärung beim Standesamt lässt die dgti nach wie vor kopfschüttelnd zurück, sie verschlechterte die Lage für intergeschlechtliche Menschen. Die Möglichkeit eines binären Reisepasses nur für intergeschlechtliche Menschen (via Attest einer Variante der Geschlechtsentwicklung) bedeutet, dass das Bundesinnenministerium hier weiterhin die Kontrolle über trans* ausüben möchte. Zusammen mit der Offenbarung alter Vornamen im Melderegister und der Versuch, alte Geschlechtseinträge samt Datum der Änderung ebenfalls im Melderegister sichtbar zu machen, zeigt sich die transfeindliche Grundhaltung einiger innerhalb des BMIs.