UNICEF feiert unter dem diesjährigen Motto „Mit Kinderrechten in die Zukunft“ 70 Jahre Weltkindertag. Ein Grund für uns, einmal genauer hinzuschauen. Viele Städte und Gemeinden werden sich wieder bundesweit für die Rechte der Kinder stark machen, zahlreiche Mitmachaktionen wird es am Weltkindertag für Kinder und Jugendliche geben. Aktionen dazu findet man hier (Verlinkungen über die Hashtags):
1992 hat Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) unterzeichnet, seit 2010 gilt diese als verbindlich im Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Das bedeutet Deutschland ist verpflichtet, die dort benannten Rechte von Kindern zu achten, zu schützen und aktiv zu fördern. Schaut man sich allerdings die aktuelle Landkarte der Kinderrechte in den Verfassungen der Bundesländer an, sieht man auf einen Blick, die Politik tut sich schwer mit der Umsetzung. Nur Hessen und Bremen haben alle 4 Grundprinzipien in ihrer Landesverfassung.
Monitoring in Hessen einzigartig, aber mangelhaft
Seit Juli 2021 hat Hessen als einziges Bundesland ein eigenes Monitoring gestartet. Zuständig dafür ist das Deutsche Institut für Menschenrechte. Das Monitoring berücksichtigt dabei ausschließlich männlich und weiblich verortete Kinder und Jugendliche. Intergeschlechtliche, transidente und diverse (tina*) Geschlechtszugehörigkeiten werden nicht abgefragt und damit einer ganzen, von Diskriminierung und Gewalt betroffenen Gruppe, keine Möglichkeit verschafft, sichtbar zu werden und ihre Anliegen zu formulieren. Mehr unter:
Erste Ergebnisse des Monitorings zeigen, wo die großen Wissenslücken bestehen. So zeigen die erstellten Statistiken deutlich; in Verwaltung und Politik hat der Bildungsprozess, nach 70 Jahren Kinderrechtskonvention, für die Mitarbeiter*innen gerade erst begonnen. Aber genau dort sitzen unter anderem auch Entscheidungsträger*innen, wenn es bspw. um die Durchsetzung des Diskriminierungsverbotes der Kinderrechtskonvention geht. Hier gibt es also immer wieder Lücken im Schutz von Kindern im Allgemeinen und von lsbt*i*q+ Kindern und Jugendlichen insbesondere.
Ein populäres Beispiel dafür ist das sogenannte „Genderverbot“ an bayrischen, hessischen und sächsischen Schulen. Die Lebenswelten von intergeschlechtlichen und nichtbinären Kindern/Jugendlichen finden in der Sprache nicht mehr statt. Es gibt keine Sprache zur Selbstbeschreibung. An diesem Negativbeispiel zeigt sich einmal mehr, wie Mehrheitsgesellschaft ihren Auftrag gegenüber kleineren, von Marginalisierung betroffenen Gruppen, nach wie vor nicht ernst nimmt. Kinder und Jugendliche sind zur Genderfrage erst gar nicht befragt worden. Das genannte Beispiel repräsentiert in aller Deutlichkeit adultistische Entscheidungen, die sogar juristische Rahmenbedingungen ignorieren.
Was bedeutet das für die Lebenswelten von lsbt*i*q Kindern und Jugendlichen?
Das Unsichtbar machen von tina* Kindern und Jugendlichen in einem für sie so wichtigen sozialen Umfeld bedeutet für viele der Betroffenen, dass sie sich in einer ohnmächtigen Situation befinden. Ihre Bedürfnisse werden ohne Unterbrechung ausgeblendet, Wörter zur Selbstbeschreibung negiert, Selbstkontrolle kann nicht ausgeübt werden, es besteht permanenter Stress. Cis Kinder und Jugendliche werden nicht gefordert in ihrer Demokratiebildung und müssen sich mit ihren Privilegien und den Aufgaben von Mehrheiten nicht auseinandersetzen.
Hier ein paar Auszüge aus dem Monitoringbericht in Hessen:
Schaut man in den Monitoringbericht des Landes Hessen wird schnell klar, dass zwar Kinder und Jugendliche offensichtlich die KRK in Schulen etc. kennenlernen, aber 72% der Erwachsenen diese nur dem Namen nach kennen (Befragung der Hessen Agentur 2023; Bildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter*innen der hessischen Verwaltungen und Hessen: Startpunkt 1 Bekanntmachung Bekanntheitsgrad der UN-KRK unter Kindern und Jugendlichen… ;). Kinder und Jugendliche sind aber in einem extremen Abhängigkeitsverhältnis und brauchen dementsprechend Erwachsene als Bündnispartner*innen, um ihre Rechte umgesetzt zu bekommen. Lasst uns gemeinsam dafür einstehen, dass Kinderrechte kein Vorschlag, sondern als wichtiger Teil unserer Demokratie verstanden und umgesetzt werden und lasst insbesondere unsere lsbt*i*q+ Kinder nicht alleine. Klärt sie über ihre Rechte auf und unterstützt sie bei deren Um- und Durchsetzung!
Wir sagen: „Herzlichen Glückwunsch UNICEF, zu 70 Jahre Weltkindertag!“
PS: Informationen und Beratung für Eltern und Sorgeberechtigte von tina* Kindern und Jugendlichen finden Sie bei uns!
- Peer-Beratung
- Fortbildungstagung „Tn*Kinder und Jugendliche therapeutisch und pädagogisch begleiten“ – Veranstaltungstermin verschoben!
- Fortbildungstagung
- Einladung zum Fachtag: Diversitätssensible Ansätze in der Begleitung von geschlechtsinkongruenten Kindern und Jugendlichen
- Die Sachlage zum Thema Pubertätsblocker