Transfeindliche Junk Science
Ein Artikel von Cornelia Kost:
Die internationale Genspect Organisation gehört wie die „Society for Evidence-Based Gender Medicine“ (SEGM) zu den weltweit aktivsten Organisationen, die die medizinische Behandlung von transgeschlechtlichen Menschen verhindern wollen (Leveille, 2021). Genspect gibt sich wenig Mühe, ihr Anliegen zu verschleiern. Sie sagen über sich selber, sie würden „einen nicht-medizinischen Ansatz zu Sex und Gender fördern“(Genspect, 2025). Die dgti zählt beide Organisationen zu den aggressivsten transfeindlichen Organisationen weltweit, die auch hierzulande Fuß zu fassen versuchen.
Den Genspect-Mitarbeitern M. Lal, L. Schwartz und dem SEGM-Aktivisten J. Cohn ist es aktuell gelungen, einen transfeindlichen Artikel im wissenschaftlichen Kontext unterzubringen (Schwartz et al., 2025). In diesem Artikel wurden Übersichtsarbeiten, Beobachtungsstudien, Kohortenkontrollstudien und Fallstudien auf seltene oder schwere anderweitige Erkrankungen abgesucht und diese in Zusammenhang von möglichen Nebenwirkungen der Behandlung von gegengeschlechtlichen Hormonen gebracht. Eine Erwähnung von Erkrankungen stellt keinen Zusammenhang zur Östrogenbehandlung dar, das müssen die Autoren selber zugeben, denn sonst hätte der Artikel den Peer-Review nicht passiert. Insofern ist dieser Artikel praktisch frei von Evidenz.
Das hindert diese Gruppierungen aber nicht am Produzieren von möglichst dramatisierenden „Studien“. So werden beispielsweise eine Studie aus Schweden aus dem Jahr 2011 und eine aus Finnland von 2024 oft herangezogen, um zu „beweisen“, dass die Behandlung von Transgeschlechtlichkeit die Suizidalität fördern würde (Dhejne et al., 2011) (Ruuska et al., 2024). Beiden Studien liegen nationale Daten der Gesundheitsbehörden zugrunde. Beiden fehlen die Kontrollgruppen, also transgeschlechtliche Menschen, die nicht behandelt wurden. Stattdessen wurden cis Menschen als „Kontrollgruppe“ ausgewählt, die ähnliche demografische Daten aufwiesen, aber mit Geschlecht gar keine Probleme hatten.
Da trans Personen zwangsläufig Belastungen aufweisen, die cis Menschen nicht haben, wurden mit diesen Studien keine validen Ergebnisse produziert. Der schwedischen Autorin war das bewusst, aber einer der finnischen Autoren ist die transfeindliche SEGM-Aktivistin Riittakerttu Kaltiala, die am CASS-Review beteiligt war (Williams, 2015) (Rob, 2024). Sie verschwieg dies in ihrer Arbeit aus offensichtlichen Motiven. Diese Studie ist daher ein Beispiel für transfeindliche Junk Science.
Dazu die Diplom-Psychologin und dgti-Vorstandsmitglied Cornelia Kost:
„Geschlechtliche Vielfalt wird immer noch als „Krankheit“ klassifiziert und nicht vom „krankheitswertigem Leidendruck“ abgegrenzt. Das verleitet die Forschung dazu, transgeschlechtliche Menschen zu pathologisieren. Aber, ein Geschlecht zu haben, ist keine Krankheit.“
Trojanisches Pferd: Transfeindlichkeit im wissenschaftlichen Gewand
Es ist eine Strategie von Gruppierungen wie SEGM und Genspect erkennbar, ihre transfeindlichen Inhalte in Forschungsvorhaben einfließen zu lassen und diese in Fachpublikationen zu veröffentlichen. Sie wollen damit Beschränkungen oder Verbote für die Behandlung transgeschlechtlicher Menschen erreichen (Wuest & Last, 2024). Dazu werden auch die Ergebnisse „wohlmeinender“ kleinerer Forschungsvorhaben missbraucht, die beabsichtigen die Gesundheitsversorgung transgeschlechtlicher Menschen verbessern zu wollen und dafür in Kauf nehmen, nicht kausal zu pathologisieren.
Die dgti ruft Forschende dazu auf, ihre Forschungsansätze auf nicht kausale Pathologien kritisch zu hinterfragen. Gleichzeitig warnen wir transgeschlechtliche Menschen, sich nur an Forschungen zu beteiligen, die von Fachverbänden empfohlen werden. Die dgti fordert dringend ein fachliches Gütesiegel für evidente Forschung an transgeschlechtlichen Menschen.
Quellen:
Dhejne, C., Lichtenstein, P., Boman, M., Johansson, A. L. V., Långström, N., & Landén, M. (2011). Long-Term Follow-Up of Transsexual Persons Undergoing Sex Reassignment Surgery: Cohort Study in Sweden. PLoS ONE, 6(2), e16885. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0016885
Genspect. (2025, Juni 13). 🚨 MAJOR NEW STUDY raises the alarm on estrogen use in trans-identified males: Blood clots, brain changes, cancer, infertility, and more. Great to see real cross-org collaboration, with contributors from Genspect’s Killarney Group (M. Lal) and @donoharm (Lauren Schwartz). 🧵 https://t.co/uvnik7LiVK [Tweet]. Twitter. https://x.com/genspect/status/1933475029163143571
Leveille, L. (2021, September 26). When Ex-Trans Worlds Collide. Health Liberation Now! https://healthliberationnow.com/2021/09/26/when-ex-trans-worlds-collide/
Rob. (2024, März 15). Gender dysphoria is not like sunshine: Finnish analysis of suicide risk is seriously flawed—TransLucent. https://translucent.org.uk/gender-dysphoria-is-not-like-sunshine-finnish-analysis-of-suicide-risk-is-seriously-flawed
Ruuska, S.-M., Tuisku, K., Holttinen, T., & Kaltiala, R. (2024). All-cause and suicide mortalities among adolescents and young adults who contacted specialised gender identity services in Finland in 1996–2019: A register study. BMJ Mental Health, 27(1). https://doi.org/10.1136/bmjment-2023-300940
Schwartz, L., Lal, M., Cohn, J., Mendoza, C. D., & MacMillan, L. (2025). Emerging and accumulating safety signals for the use of estrogen among transgender women. Discover Mental Health, 5(1), 88. https://doi.org/10.1007/s44192-025-00216-3
Williams, C. (2015, November 2). Fact check: Study shows transition makes trans people suicidal. TransAdvocate. https://www.transadvocate.com/fact-check-study-shows-transition-makes-trans-people-suicidal_n_15483.htm
Wuest, J., & Last, B. S. (2024). Agents of scientific uncertainty: Conflicts over evidence and expertise in gender-affirming care bans for minors. Social Science & Medicine, 344, 116533. https://doi.org/10.1016/j.socscimed.2023.116533
Weiterführende Artikel zu Transfeindlichkeit und Junk Science: