Bundesrat beschließt Erweiterung von Art3GG um sexuelle Identität, tina* Personen bleiben weiter außen vor          

Pressemitteilung: 1 Jahr Selbstbestimmungsgesetz
dgtieV_Pressemitteilung

Der Bundesrat hat eine Erweiterung von Art3GG um die sexuelle Identität beschlossen und legt nun dem Bundestag einen Gesetzentwurf vor. Homo-und bisexuelle Menschen sind bisher nicht ausdrücklich vom Grundgesetz geschützt: Denn nach wie vor werden Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität benachteiligt, angefeindet und angegriffen und benötigen besonderen Schutz, der im Grundgesetz verankert werden muss. Als letzte Opfergruppe der Nazis fehlen queere Menschen weiterhin im Art3GG. Daher begrüßen wir den vorliegenden Beschluss zur Bundesratsinitiative der Regenbogenhauptstadt Berlin, auch wenn dieser unzureichend ist.

Trans*-, inter*geschlechtliche, nichtbinäre und agender (tina*) Personen weiter nicht ausreichend geschützt

Der jetzige Beschluss würde tina* Personen nicht ausreichend schützen. Wenn jemand künftig bspw. eine trans* Person aufgrund ihrer sexuellen Identität beleidigend bezeichnet, fiele das unter den Schutz von Art3GG, aber wenn jemand einer trans* Frau das Geschlecht abspricht und sie abwertend als Mann misgendert, fiele das nicht darunter.

Doch auch wenn bereits 2020 Rechtswissenschaftler*innen im Zuge der damaligen Bundestagsanhörung zu einer geplanten Erweiterung von Art3GG behaupteten, die geschlechtliche Identität sei bereits durch das Merkmal Geschlecht im Grundgesetz geschützt, so schützte es nicht vor dem diskriminierenden Transsexuellengesetz. Ebenso wird „verhetzende Beleidigung“ gegen tina* Personen nach §192a Strafgesetzbuch (StGB) nicht verfolgt, da dort keine Merkmale wie Geschlecht oder geschlechtliche Identität enthalten sind.

Bei der Bundestagsanhörung hatten damals vier der acht Expert*innen ausdrücklich davon gesprochen, dass die Aufnahme des Merkmals „sexuelle Identität“ ohne den gleichzeitigen Schutz des Merkmals „geschlechtliche Identität“ eine Ungleichbehandlung bedeuten würde. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar bereits 2017 geurteilt, dass Art. 3 (1) insbesondere auch nicht-binäre Menschen schützt, den Schutz der geschlechtlichen Identität in einem weiteren Beschluss bezüglich des personenstandsrechtlichen Übergangs aber wieder relativiert.

Dieser Schutz muss sich angesichts der bestehenden Diskriminierungen und der immer stärker werdenden Gewalt gegen tina*Personen im Gesetzestext eindeutig widerspiegeln, um effektiv zu sein. Deshalb brauchen wir eine Neufassung des Art. 3 des Grundgesetzes hinsichtlich des Schutzes sexueller Identität und der Gleichstellung aller Geschlechtszugehörigkeiten. Dies kann nur über eine Ergänzung um das Merkmal geschlechtliche Identität, in der Bedeutung der geäußerten Geschlechtszugehörigkeit, in Art. 3 (3) erfolgen, wie schon beim Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen. Wir fordern den Bundestag daher auf, hier dann zu ergänzen!

Unter geschlechtliche Identität verstehen wir die Selbstzuordnung zu einem Geschlecht, deren Gleichwertigkeit mit dem vorhandenen Merkmal Geschlecht im Art. 3 (3) GG nicht an anderer Stelle hergestellt werden kann. Auch durch supranationale Verträge, EU-Richtlinien oder die Rechtsprechung des EuGH ist die Gleichstellung der beiden Merkmale nicht vollumfänglich bestimmt. Siehe auch: GRUNDGESETZ FÜR ALLE – Der Appell

Teilen auf:

Weitere interessante Artikel

Projekt „Verfolgung, Benachteiligung, Lebensrealitäten trans*, inter*, nicht-binärer und agender Personen im NS Staat 1933-1945 auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz“

Aufruf zur Interessenbekundung Beschreibung des ProjektsErfassung zwischen 1933 und 1945 verfolgter oder benachteiligter trans*, inter* und nicht-binärer und agender (tina*) Personen auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz. Entwicklung einer Beschreibung von tina* Personen nach heutigen Kriterien und Abgleich mit den im NS Staat genutzten Zuschreibungen. Ausarbeitung der Methodik, wie der

Weiterlesen »
Pressemitteilung: 1 Jahr Selbstbestimmungsgesetz

1 Jahr Selbstbestimmungsgesetz – Bilanz und offene Baustellen

Fortschritt mit Lücken Ein Jahr nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) zeigt sich: Viele Menschen haben lange auf diesen Schritt gewartet. Seit dem 1. November 2024 wurden über 22.000 Vornamens- und Personenstandsänderungen gemeldet. Trans*, inter* und nicht-binäre Personen können ihr Geschlecht nun selbst bestimmen, ohne medizinische Gutachten oder Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz beendet eine

Weiterlesen »
Handwerkszeug für die Arbeit mit transgeschlechtlichen und geschlechtsdiversen Menschen mit Transitionswunsch am 30. Januar 2026 - Eine Fotbildung für psychotherapeutisch Tätige Personen

Handwerkszeug für die Arbeit mit transgeschlechtlichen und geschlechtsdiversen Menschen mit Transitionswunsch – Fortbildung am 30.01.2026

Fortbildung für psychotherapeutisch tätige Personen Durchgeführt von Cornelia Kost, Adan Geißendörfer und Flora Buczkowski. In dieser Fortbildung soll ein Beitrag dazu geleistet werden die Versorgungslücke zu schließen, indem Sie befähigt werden transgeschlechtliche Menschen effizient in ihren Prozessen zu begleiten. Für wen ist die Fortbildung geeignet? Psychotherapeutisch tätige Personen mit und

Weiterlesen »
Logo der dgti e.V.

Spenden Sie für unsere Arbeit