Koalitionsvertrag 2025: Schlingerkurs

Pressemitteilung: 1 Jahr Selbstbestimmungsgesetz
dgtieV_Pressemitteilung

Pressemitteilung zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD

CDU/CSU wollen zusammen mit der SPD die Regierungsverantwortung übernehmen und haben ihren Koalitionsvertrag präsentiert.

Regierungsverantwortung bedeutet auch, Minderheitenrechte zu schützen und bestehende Diskriminierungen aktiv abzubauen. Dieses Versprechen geben die drei Parteien auch ab, doch es folgt die Ernüchterung.

Kein Wort findet sich zur Ergänzung des Art3(3) GG, um die geschlechtliche und sexuelle Identität zweifelsfrei zu schützen, sowie zum Nationalen Aktionsplan und dem Amt des Queerbeauftragten. Eine Verstetigung des „Nationalen Aktionsplans Queer Leben“ und einer Queerbeauftragten Person der Bundesregierung muss gewährleistet werden. Queere Menschen, ihre Angehörigen und Freund*innen machen ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Deutschlands aus. Diese Personen brauchen eine Repräsentanz und Ansprechperson in der Bundesregierung. Das Amt muss zudem ausgebaut werden, um den Schutz vor Queerfeindlichkeit, die strukturelle Berücksichtigung der Belange von LSBTIQ* in der Bundesverwaltung und die Förderung der Akzeptanz und Sichtbarkeit von LSBTIQ* in der Gesellschaft voranzutreiben.

Queere Geflüchtete geraten in Lebensgefahr und ein unverändertes Abstammungsrecht setzt weiterhin trans* Eltern Diskriminierungen aus, wenn sie ihre Kinder in der Schule anmelden.

Beim Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) soll nun schon bis spätestens 31.7.2026 eine Evaluierung vorgenommen werden, im Gesetz war dafür ein Zeitraum von bis zu 5 Jahren vorgesehen.

Was bedeutet das? Im Koalitionsvertrag wird sichtbar, dass die z.T. aus den USA geförderten Hass- und Desinformationskampagnen den Diskurs soweit vergiftet haben, dass man für Kinder und Jugendliche eine imaginäre Gefahr sieht, um die man sich kümmern müsse.  Märchen von „sozialer Ansteckung“ durch Trans* unter Jugendlichen und antifeministische Erzählungen von trans* Frauen, deren Lieblingsbeschäftigung es sei, cis Frauen zu übervorteilen oder sie zu belästigen haben versteckt hinter scheinbar harmlosen Sätzen zum Frauenschutz in den Koalitionsvertrag Einzug gehalten.

Ahnungslosigkeit und Ignoranz im Koalitionsvertrag

Es geht mit pathologisierenden Bezeichnungen weiter. Wie man so die Rechte von „Trans- und Intersexuellen“ Menschen wahren möchte, ist uns schleierhaft. Kein Wort zum löchrigen Gesetz zum Verbot von Konversionsbehandlungen, kein Wort zum löchrigen Gesetz zum Verbot von Operationen an intergeschlechtlichen Kleinkindern im Koalitionsvertrag. Im Abschnitt „Geschlechtliche Vielfalt“ hätten wir Begriffe wie nicht-binär erwartet, stattdessen zeigt man den Bürger*innen Ignoranz und schreibt dort „sexuelle Orientierung“ hinein.

Die Fristsetzungen im aktuellen SBGG zur Abgabe der Erklärung zur Änderung von Vornamen- und Geschlechtseintrag sind kritikwürdig und stehen im Zielkonflikt mit europarechtlichen Vorgaben und einem Bundesratsbeschluss, die ein schnelles und unkompliziertes Verfahren vorsehen. Diese Fristen kritisch evaluieren zu wollen, um sie wohl zu verschärfen, ist das genaue Gegenteil. Die Nachverfolgbarkeit von Namensänderungen ist durch das Bundeszentralregister bereits gegeben und bedarf keiner Anpassung.

Trans-Gesundheitsversorgung absichern!

In Punkto Gesundheitsversorgung wurde vereinbart, dass medizinische Vorsorge, Behandlung und Forschung geschlechts- und diversitätssensibel (inklusive queere Menschen) ausgestaltet wird und dabei die speziellen Bedürfnisse in jedem Lebensabschnitt aller Geschlechter berücksichtigt werden. Ein gleichberechtigter und allgemeiner Zugang zu einer fachgerechten Gesundheitsversorgung ist zwar in der Charta der europäischen Grundrechte (Art. 35) festgeschrieben, aber bislang aufgrund vielfacher Diskriminierungen, regionalen Versorgungslücken und Systemversagen nicht gegeben.

Wir fordern daher ausdrücklich die grundsätzliche gesetzliche Verankerung eines Anspruchs auf selbstbestimmte geschlechtsangleichende Maßnahmen im SGB V – für alle trans*, inter* und nicht-binären Personen, einschließlich einwilligungsfähiger Minderjähriger, sofern sie medizinisch angezeigt sind.

Teilen auf:

Weitere interessante Artikel

Pressemitteilung: 1 Jahr Selbstbestimmungsgesetz

1 Jahr Selbstbestimmungsgesetz – Bilanz und offene Baustellen

Fortschritt mit Lücken Ein Jahr nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) zeigt sich: Viele Menschen haben lange auf diesen Schritt gewartet. Seit dem 1. November 2024 wurden über 22.000 Vornamens- und Personenstandsänderungen gemeldet. Trans*, inter* und nicht-binäre Personen können ihr Geschlecht nun selbst bestimmen, ohne medizinische Gutachten oder Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz beendet eine

Weiterlesen »
Selbstbestimmungsgesetz

Selbstbestimmungsgesetz: Mehr als 20.000 Anträge in einem Jahr – Tendenz sinkend, kein Trend bei Jugendlichen

Seit dem 1.11.2024 ist das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) vollständig in Kraft. Für die trans* Community war das ein Grund zum Feiern, ein historischer Tag. Es ist ein großer Erfolg, für den die dgti gemeinsam mit vielen anderen Organisationen jahrzehntelang gekämpft hat. Viele Menschen haben darauf gewartet, dass das diskriminierende Transsexuellengesetz abgeschafft

Weiterlesen »
Handwerkszeug für die Arbeit mit transgeschlechtlichen und geschlechtsdiversen Menschen mit Transitionswunsch am 30. Januar 2026 - Eine Fotbildung für psychotherapeutisch Tätige Personen

Handwerkszeug für die Arbeit mit transgeschlechtlichen und geschlechtsdiversen Menschen mit Transitionswunsch – Fortbildung am 30.01.2026

Fortbildung für psychotherapeutisch tätige Personen Durchgeführt von Cornelia Kost, Adan Geißendörfer und Flora Buczkowski. In dieser Fortbildung soll ein Beitrag dazu geleistet werden die Versorgungslücke zu schließen, indem Sie befähigt werden transgeschlechtliche Menschen effizient in ihren Prozessen zu begleiten. Für wen ist die Fortbildung geeignet? Psychotherapeutisch tätige Personen mit und

Weiterlesen »
Das Maskottchen der dgti und und eine hellviolette herzförmige Figur stehen im Regen. Die herzförmige Figur hält einen großen schwarzen Regenschirm, der beide schützt. Um sie herum fallen dunkelviolette Regentropfen vor einem dunklen Hintergrund. Beide Figuren haben einfache, freundliche Gesichter.

Resilienz und mentale Gesundheit für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen, und warum sie auch im Job zählt

Resilienz bedeutet seelische Widerstandskraft: also die Fähigkeit, mit Belastungen umzugehen und wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Für trans*, inter* und nicht-binäre (TIN*) Menschen ist sie kein Trendwort, sondern oft eine alltägliche Herausforderung. Das betrifft das Leben, den Umgang mit anderen und den Beruf. Minderheitenstress: Wenn Belastung Alltag ist Viele Studien

Weiterlesen »
Logo der dgti e.V.

Spenden Sie für unsere Arbeit

Datenschutz
, Inhaber: (Firmensitz: Deutschland), verarbeitet zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in der Datenschutzerklärung.
Datenschutz
, Inhaber: (Firmensitz: Deutschland), verarbeitet zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in der Datenschutzerklärung.