Konversionsmaßnahmen wirkungsvoll unterbinden!

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dgti Pressemitteilung / Stellungnahme

Pressemitteilung März 2024

Expert*innengruppe veröffentlicht Forderungen zur Novellierung des KonvBehSchG

Aktuelle Studien zeigen: Auch drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen (KonvBehSchG) sind Konversionsmaßnahmen nicht verschwunden. Die Regierungsparteien haben den dringenden Reformbedarf zwar erkannt und im Koalitionsvertrag eine Novellierung zugesichert, es zeichnet sich jedoch ab, dass die zuständigen Ministerien dieses Vorhaben in dieser Legislatur nicht mehr angehen wollen. Eine Expert*innengruppe unter dgti-Beteiligung aus dem Fachbeirat des Forschungsprojekts „Konversionsbehandlungen: Kontexte. Praktiken. Biografien“, hat am vergangenen Freitag die Ampelregierung mit einem Forderungspapier für die effektive Unterbindung dieser menschenrechtswidrigen Praxis zum Handeln aufgefordert.

Konversionsmaßnahmen sind ein Relikt aus dem Mittelalter

Die und die geschlechtliche Identität einer Person können durch sogenannte Konversionsmaßnahmen nicht verändert werden. Diese sind grundsätzlich unethisch und menschenrechtswidrig. Der Gesetzgeber hat deshalb 2020 das zum Schutz vor Konversionsbehandlungen verabschiedet – ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu einer Ächtung von Konversionsmaßnahmen in Deutschland. Das Gesetz weist jedoch zahlreiche Schwächen auf, und gewährleistet keine ausreichenden Beratungs- und Unterstützungsangebote für Betroffene. Wir haben schon damals darauf hingewiesen.

Die Regierungsparteien haben den dringenden Reformbedarf, den die Zivilgesellschaft seit Veröffentlichung des Gesetzes anprangert, zwar erkannt und im Koalitionsvertrag eine Novellierung des Gesetzes vereinbart. Auch der Nationale Aktionsplan Queer Leben der Bundesregierung adressiert die Schwächen des Gesetzes ausdrücklich und schlägt konkrete Verbesserungsmaßnahmen vor. Bisher liegen jedoch weder Eckpunkte noch ein Gesetzentwurf vor.

Konversionsmaßnahmen | konversionsbehandlungen
Bild: Pexels / Elīna Arāja

Konversionsmaßnahmen sind in Deutschland noch präsent

Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Konversionsmaßnahmen sind in Deutschland auch über drei Jahre nach Inkrafttreten des Konversionsbehandlungsschutzgesetzes noch präsent.

Dr. Klemens Ketelhut, Projektleiter des Forschungsprojekts „Konversionsbehandlungen, Kontexte, Praktiken und Biografien“, erklärt dazu:

„Von den fast 3.500 befragten queeren Personen, die sich dazu geäußert haben, erhielten 70 Prozent Vorschläge, die eigene zu ändern oder zu unterdrücken; 55 Prozent wurde vorgeschlagen, die eigene sexuelle Orientierung zu ändern oder zu unterdrücken. Diese Zahlen machen betroffen.“

Dr. Klemens Ketelhut

Diese Vorschläge werden primär von den Eltern oder anderen Mitgliedern der eigenen Familie und in schulischen und religiösen Kontexten gemacht. Aber auch in psychotherapeutischen und beraterischen Settings sowie im klinischen Kontext sind sie noch weit verbreitet.

Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zeigt großen Aufklärungsbedarf bei Psychotherapeut*innen und Seelsorgenden.

Auf den zwischenzeitlich vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen kann bei einer Gesetzesnovellierung aufgebaut werden.

Forderungen der Expert*innengruppe

Die Expert*innengruppe fordert außerdem u. a. die Einrichtung eines Ausgleichsfonds, um Betroffenen den Zugang zu speziellen Therapien, Heil- und Hilfsmitteln zu gewährleisten. Ebenso wichtig ist die Einrichtung eines Monitorings oder einer öffentlichen Meldestelle für die Aktivitäten von Anbieter*innen im Inland und grenznahen Ausland. Nicht außen Vorbleiben darf die Förderung von Qualifizierungs- und Sensibilisierungs- sowie Bildungsangeboten für beraterische Kontexte und Regelstrukturen, die Förderung des Aufbaus eines Selbsthilfe-Netzwerks sowie eine angemessene finanzielle und personelle Ausstattung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Diese Strukturen müssen um ein unabhängiges, flächendeckendes Beratungsangebot zu Konversionsmaßnahmen vor Ort ergänzt werden. Zudem sollte die Novellierung des Gesetzes durch eine deutschlandweite Informations- und Kommunikationskampagne begleitet werden, die sich insbesondere auch an die Allgemeinbevölkerung wendet.

Das Forderungspapier wurde erstunterzeichnet von Vertreter*innen der folgenden Organisationen:

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
Bundesverband Queere Bildung e.V.
Bundesverband e.V. (BVT*)
Deutsche Gesellschaft für und Intersexualität e.V. (dgti)
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e.V. (LSVD)
-Beauftragung der Stadt Mannheim
Mosaik Deutschland e.V.
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität Heidelberg
Psychologische Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar e.V. (PLUS)
Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, *, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie (VLSP*) e.V.

Presseanfragen:

bundesgeschaeftsstelle@dgti.org

ketelhut@mosaik-deutschland.de

Hintergrund:

Homosexualität, Bisexualität, Trans*geschlechtlichkeit, Nichtbinarität und Intergeschlechtlichkeit bedürfen keiner Therapie oder Behandlung (hiermit sind keine lebensnotwendigen geschlechtsangleichenden Maßnahmen gemeint) – das erkennt die Wissenschaft inzwischen an. Dennoch werden vor allem in religiös-fundamentalistischen Zusammenhängen sogenannte „Konversions„-, „Umpolungs-“ oder „Reparativ“-Therapien angeboten, die ausgehend von einer Abwertung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt auf eine Änderung von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten oder einer transgeschlechtlichen Identität abzielen. Nach vielen Jahren Aufklärungsarbeit und politischer Überzeugungsarbeit – insbesondere auch durch die dgti – wurde 2020 endlich ein gesetzliches Verbot für die gefährlichen Heilungs- und Konversionsangebote verabschiedet. Doch Erfahrungsberichte sowie Ergebnisse aus Umfragen zeigen, dass auch mehrere Jahre nach Inkrafttreten des Verbots Konversionsmaßnahmen weiterhin stattfinden. Die Ampelregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 vereinbart: „Wir werden die Strafausnahmen in § 5 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen aufheben und ein vollständiges Verbot auch von Konversionsbehandlungen an Erwachsenen prüfen.“ Bisher ist kein Gesetzentwurf für eine Reform vorgelegt worden.

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