Um ein vollständiges Passing zu erreichen, ist eine dem Geschlecht angepasste Stimme unabdingbar. In den Medien erscheinen immer mal wieder trans*-weibliche Personen, deren äußerliches Erscheinungsbild vollkommen weiblich ist, deren Stimme jedoch nicht zum Geschlecht passt.
Wann wird eine Stimme als männlich und wann wird eine Stimme als weiblich eingestuft?
Grundsätzlich ist die Tonlage, die so genannte mittlere Sprechstimmlage, eines der wichtigsten Merkmale, das über die Geschlechtsklassifizierung eines Stimmklangs entscheidet. Hierbei unterscheiden sich weibliche und männliche Stimmen um circa eine Oktave. Allerdings gibt es auch einen Bereich der Tonhöhe, der zwischen der männlichen und der weiblichen Sprechstimmlage liegt, die so genannte gender-neutrale Stimmlage oder intermediäre Stimmlage. In diesem Bereich wird die Stimmhöhe von vielen Hörer*innen nicht als eindeutig männlich oder weiblich zugeordnet.
Zusätzlich zur Tonlage spielen noch weitere Merkmale des Sprechens und der Stimmgebung eine Rolle. So zum Beispiel die Resonanz, die bei Männern vorrangig im Brustkorb liegt, wohingegen Frauen eine eher „kopfige“, helle Resonanz, deren Schwerpunkt eher im Gesicht zu finden ist.
Auch die Sprechmelodie und Betonung ist unterschiedlich zwischen den Geschlechtern, so haben Frauen eine meist stärkere Sprechmelodie mit vielen Höhen und Tiefen, wohingegen Männer meist etwas monotoner sprechen und Betonungen eher durch Lautstärke erzeugen.
Um das stimmliche Passing, z. B. auch am Telefon zu erreichen, stehen transidenten Menschen drei verschiedene Bereiche zur Verfügung:
Hormonelle Stimmanpassung
indirekte Beeinflussung des Kehlkopfwachstums durch Hormongabe – bei trans*-weiblichen Personen nur vor der Pubertät bzw. vor dem Stimmbruch
Logopädische Stimmanpassung
gezielte und intensive Arbeit an der Stimme mit einem Stimmtherapeuten
Phonochirurgisch-operative Stimmanpassung
stimmverändernde Operationen durch HNO-Ärzte bzw. Phoniater (Stimmfachärzte)
Stimmanpassung bei Frau-zu-Mann-Transidenten
Hormonelle Stimmanpassung
Diese Form der Stimmveränderung spielt bei Transmännern die wichtigste und größte Rolle. Meist setzt nur kurz nach den ersten Hormongaben das Kehlkopfwachstum und somit ein verspäteter bzw. zweiter Stimmbruch ein. Dies ist durch den glücklichen Umstand möglich, dass der anatomisch weibliche Kehlkopf lange knorpelig bleibt und so noch wachsen kann, wohingegen der anatomisch männliche Kehlkopf zu verknöchern beginnt und eine hormonelle Wachstumsbeeinflussung nicht mehr möglich ist.
In der Übergangsphase kommt es dabei oftmals zu einem typischen Stimmbruchklang der Stimme, sie wird kippelig und ist zunächst in der Tonlage nicht sicher, aber wird schlussendlich tiefer und kann eine männliche Lage erreichen, die im oberen männlichen Stimmumfang liegt (ca. 115-130 Hz).
Operative Stimmanpassung
Die Operationstechniken für Transmänner sind weltweit kaum verbreitet, obwohl es einzelne Vorgehensweisen gibt. Die Relevanz der Operationen ist jedoch durch die zumeist sehr guten Erfolge der Hormonbehandlung kaum gegeben.
Logopädische Stimmanpassung
Bei der logopädischen Stimmarbeit mit Transmännern geht es meist darum, die durch den zweiten Stimmbruch kippelige Stimme zu festigen und ein möglichst männliches stimmliches Ergebnis zu erreichen. Dabei kann u.a. an der Resonanz gearbeitet werden, die bei Männern stärker und durchdringender bei Männern als bei Frauen ist. Auch kann die Sprechmelodie eine Rolle spielen, die bei Männern meist etwas monotoner ist als bei Frauen.
Häufig sind höhere Ansprüche an die Stimme, wie eine hohe Belastung in Sprecherberufen, das Singen oder lautes Rufen nach dem Stimmbruch noch schwierig. Hierbei können Logopäden mit der Vermittlung der richtigen Stimm- und Atemtechnik helfen.
Stimmanpassung bei Mann-zu-Frau-Transidenten
Hormonelle Stimmanpassung
Die hormonelle Stimmanpassung spielt bei transidenten Frauen im Erwachsenenalter keine Rolle. Der Kehlkopf ist während des Stimmbruchs in der Pubertät gewachsen und lässt sich durch Hormongabe nicht verkleinern.
Bei transidenten Frauen bzw. Mädchen, die die Pubertät noch nicht erreicht haben, spielt die hormonelle Stimmanpassung hingegen eine sehr große Rolle. Durch die Gabe von pubertätshemmenden Medikamenten wird auch das Kehlkopfwachstum und somit die Ausbildung einer „männlichen Stimme“ verhindert. Die Stimmen der transidenten Frauen, die prä-pubertär behandelt wurden, sind von der Stimme einer Cis-Frau nicht zu unterscheiden und bedürfen im Normalfall keiner weiteren Behandlung (prominente Beispiele wäre z.B. Kim Petras oder Hannah Winkler).
Operative Stimmanpassung
Eine Möglichkeit der stimmlichen Anpassung sind stimmerhöhende Operationen. Hierbei gibt es zwei typische Techniken, die meist eingesetzt werden.
Glottoplastik
Bei dieser Technik wird zunächst die Schleimhaut auf den Stimmlippen teilweise entfernt. Danach werden einige Millimeter der linken und rechten Stimmlippe miteinander vernäht, sodass der Anteil der Stimmlippe, der beim Sprechen bzw. Singen zum Schwingen gebracht wird, verringert wird. Die Operation wird in Vollnarkose durchgeführt und erfolgt durch den Mund, sodass keine äußerlich sichtbare Narbe zurückbleibt.
Studien ergaben, dass es meist zu einer Erhöhung der Sprechstimmlage kommt. Der Stimmklang kann durch die Operation etwas hauchiger oder in seltenen Fällen heiser werden. Die Stimme ist häufig in ihrer Steigerung, z. B. beim Rufen, eingeschränkt.
Crico-Thyreoid-Approximation (oder Cricothyroidopexie)
Bei dieser Operationsmethode werden die beiden größten Knorpel des Kehlkopfes, der Ring- und der Schildknorpel, chirurgisch einander angenähert. Diese Position der Knorpel wird dann an der Außenseite des Kehlkopfes fixiert. Dadurch kommt es im Kehlkopf zu einer permanenten Erhöhung der Spannung der Stimmlippen. Durch die straffere Spannung der Stimmlippen können tiefere Töne nicht mehr erzeugt werden. Die Operation wird ebenfalls in Vollnarkose, jedoch von außen durchgeführt. Hierbei wird die Narbe wenn möglich in eine Halsfalte gelegt.
Die Sprechstimmlage kann durch diese Operationsmethode ebenfalls angehoben werden. Es besteht die Gefahr, dass das Sprechen monoton wird, bzw. der komplette Stimmumfang reduziert ist. Ebenso kann es zu einer hauchigen, knarrenden oder heiseren Stimme kommen.
Des Weiteren existieren noch einige seltener eingesetzte Operationstechniken oder Kombinationen der oben beschriebenen Verfahren.
Insgesamt dienen die stimmerhöhenden Operationen lediglich der Anhebung der Tonlage. Weitere Parameter des Sprechens, wie Stimmklang oder –timbre, Betonung, Resonanz usw. werden dadurch nicht beeinflusst. Diese Parameter können jedoch mit einer logopädischen Behandlung verändert werden. Eine alleinige stimmerhöhende Operation führt in den wenigsten Fällen zu einem vollständig zufriedenstellenden Ergebnis.
Adamsapfel-Reduktionsplastik
Zusätzlich zu den stimmerhöhenden Operationen gibt es noch die Adamsapfelreduktionsplastik, bei der es sich um eine rein ästhetische Operation am Kehlkopf handelt. Dabei wird der Knorpel des vorstehenden Adamsapfels durch einen kleinen Schnitt von außen abgetragen. Der Schnitt wird dabei meist eine Halsfalte gelegt um eine möglichst unauffälliges optisches Ergebnis zu erreichen.
Logopädische Stimmanpassung
In der logopädischen Therapie mit Trans*Frauen werden eine Reihe unterschiedlicher Bereiche bearbeitet, die für das erfolgreiche stimmliche und sprecherische Passing entscheidend sind. Im Folgenden werden die Bereiche etwas genauer beschrieben.
Tonlage
Um die Tonlage, also die mittlere Sprechstimmlage zu erhöhen, können z. B. gesungene Übungen durchgeführt werden. Hierbei können zunächst einfache Reihen, wie z. B. die Wochentage, Ton für Ton nach oben gesungen werden, bis eine genderneutrale oder weibliche Tonlage erreicht ist.
Resonanz und Stimmsitz
Übungen zur Verkürzung und Verengung des Rachenraumes, sowie Übungen zur Veränderung des Stimmlippenschlusses im Kehlkopf spielen hier eine besonders wichtige Rolle.
So soll zum einen die Rachenmuskulatur trainiert werden, um weniger Resonanzräume zu nutzen, die einen dunklen, herben Klang erzeugen. Zum anderen wird versucht, einen zarten Stimmlippenschluss zu erreichen, der eventuell sogar minimal behaucht sein kann, um ein überzeugendes weibliches Stimmergebnis zu erreichen.
Wahrnehmung
Generell sollte zunächst die Wahrnehmung, also das Hören und das Fühlen der zu bearbeitenden Bereiche, geschult werden. Dies kann über das Beispiel des Therapeuten oder auch über Videos und eigene Audio- oder Videoaufnahmen, die gemeinsam analysiert werden, geschehen.
Artikulation
Die weibliche Aussprache ist meist etwas präziser und kann z. B. mit der klassischen Übung des Korkensprechens geübt werden oder über Konzepte wie das kinästhetisch-kontrollierte Sprechen.
Prosodie
In diesem Bereich geht es darum, die Melodie des Sprechens zu verstärken, zunächst im Wort, dann über Wortgruppen, Sätze und Texte bis hin zum spontanen Sprechen. Es sollte im besten Fall eine vielfältige Betonung möglich sein, ohne in tiefe, männliche Tonlagen zurückzufallen. Vorübungen können zum Beispiel auch aus dem Singen heraus abgeleitet werden.
Atmung
Als Basis jeder Stimmarbeit steht die Arbeit an der Atmung meist am Beginn der Behandlung. Es wird dabei Wert auf eine kombinierte Brust-Bauchatmung gelegt, die über Wahrnehmungsübungen und aktive Übungen im Liegen, Sitzen und Stehen erarbeitet wird.
Haltung, Bewegung, Gestik
Ein zusätzlicher Inhalt der Stimmarbeit kann die Haltungs- und Bewegungsanalyse und –übung sein. Hier können neben dem geschulten Auge des Logopäden zunächst auch Videoaufnahmen und deren gemeinsame Analyse zur Bestandsaufnahme sowie zur Wahrnehmungsschulung dienen. Eine gesunde Haltung ist dabei auch stets Basis einer fundierten Stimmarbeit.