Hormontherapie bei trans* Personen: Fakten, Veränderungen und Grenzen einfach erklärt

Die Hormontherapie ist für viele trans* Personen ein entscheidender Schritt, um ihren Körper ihrer Geschlechtsidentität anzugleichen. Sie bewirkt tiefgreifende körperliche und psychische Veränderungen, hat jedoch auch biologische Grenzen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Wirkungen der Hormontherapie, beleuchtet Vorteile und Nebenwirkungen und klärt sachlich über realistische Erwartungen auf.

Physische Veränderungen durch die Hormontherapie

Die Hormontherapie bewirkt bei trans* Personen Veränderungen, die typischerweise mit dem jeweiligen Geschlecht assoziiert werden. Dabei hängt die Art der Effekte davon ab, ob Östrogene (bei trans* Frauen) oder Testosteron (bei trans* Männern) eingenommen werden.

Veränderungen bei trans* Frauen (MTF – Male-to-Female)

  • Brustwachstum: Eines der frühesten und sichtbarsten Merkmale ist die Entwicklung der Brüste, die oft nach wenigen Monaten beginnt. Die vollständige Ausprägung kann jedoch mehrere Jahre dauern und hängt von individuellen Faktoren ab.
  • Fettverlagerung: Körperfett verlagert sich stärker auf Hüften, Oberschenkel und Gesäß, wodurch die Körperform etwas femininer wirken kann.
  • Weichere Haut: Die Haut wird feiner und empfindlicher, was oft auch zu einer Reduktion der Körperbehaarung führt. Barthaare bleiben jedoch bestehen und müssen durch zusätzliche Methoden wie Laser- oder Nadelepilation entfernt werden.
  • Rückgang der Muskelmasse: Muskelmasse und -kraft nehmen ab, was den Körper graziler erscheinen lässt.
  • Körperbehaarung: Härchen werden feiner und weniger dicht, doch eine vollständige Entfernung ist allein durch Hormone nicht möglich.
  • Stimme: Die Stimmbänder bleiben unverändert, da Östrogene keine Auswirkung auf die Stimme haben. Ein spezielles Stimmtraining kann jedoch helfen, eine weiblich gelesene Stimme zu erlangen und so das Passing zu verbessern.

Veränderungen bei trans* Männern (FTM – Female-to-Male)

  • Tiefere Stimme: Die Stimmbänder verdicken sich durch Testosteron, was zu einer irreversiblen Vertiefung der Stimme führt. Dies gehört zu den frühesten sichtbaren Veränderungen.
  • Bart- und Körperhaarwachstum: Testosteron fördert den Haarwuchs am gesamten Körper und ermöglicht Bartwuchs, der sich über mehrere Jahre entwickeln kann.
  • Fettverlagerung: Fett wird eher am Bauch als an Hüften und Oberschenkeln eingelagert, was eine maskulinere Körperform bewirkt.
  • Muskelwachstum: Muskelmasse und -kraft nehmen deutlich zu, was den Körper athletischer erscheinen lässt.
  • Menstruationsstopp: In den meisten Fällen hört die Menstruation nach wenigen Monaten auf.

Psychische Veränderungen durch die Hormontherapie

Die Hormontherapie hat auch psychische Effekte, die für viele trans* Personen von großer Bedeutung sind. Sie kann die Geschlechtsdysphorie verringern und zu einem stärkeren Einklang zwischen Körper und Geschlechtsidentität führen.

Viele berichten von einer deutlichen Verbesserung ihrer Lebensqualität und einer Reduktion von Angst und Depressionen. Gleichzeitig können in den ersten Monaten der Therapie hormonelle Schwankungen auftreten, die Stimmungsschwankungen oder emotionale Instabilitäten auslösen. Eine engmaschige Begleitung durch Fachärzt*innen ist hier besonders wichtig.

Vorteile und Nebenwirkungen

Vorteile

  • Körperliche Anpassung: Die Veränderungen helfen vielen trans* Personen, sich wohler und selbstbewusster zu fühlen.
  • Psychische Stabilisierung: Die Reduktion von Geschlechtsdysphorie trägt zu einer besseren Lebensqualität bei.
  • Erleichtertes Passing: Die sichtbaren und hörbaren Veränderungen erleichtern es oft, im Alltag im empfundenen Geschlecht wahrgenommen zu werden.

Nebenwirkungen

  • MTF: Östrogene erhöhen das Risiko für Blutgerinnsel (Thrombosen) und können die Leber belasten.
  • FTM: Testosteron kann Akne verursachen und in seltenen Fällen zu einer erhöhten Anzahl roter Blutkörperchen (Polyglobulie) führen.
  • Langzeitrisiken: Beide Therapien können langfristig das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder hormonabhängige Krebsarten erhöhen.

Realistische Erwartungen: Was nicht passieren wird

Trotz der umfangreichen Veränderungen durch die Hormontherapie gibt es biologische Grenzen:

Reproduktionsfähigkeit bei trans* Frauen (MTF)

  • Keine Fähigkeit zur Geburt: Auch nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen verfügen trans* Frauen nicht über einen Uterus oder Eierstöcke. Es ist daher nicht möglich, Kinder auszutragen oder zu gebären.
  • Fruchtbarkeitsverlust: Die Einnahme von Hormonen führt meist zum Verlust der Spermienproduktion. Wer biologische Kinder zeugen möchte, sollte vor Beginn der Therapie Spermien einfrieren lassen.
  • Mögliche Zeugungsfähigkeit bei trans* Frauen ohne GAOP: Trans* Frauen ohne geschlechtsangleichende Operation (GAOP) können unter Umständen trotz der Einnahme von weiblichen Hormonen noch Kinder zeugen.

Reproduktionsfähigkeit bei trans* Männern (FTM)

  • Keine Fähigkeit zur Zeugung: Trans* Männer können keine Kinder zeugen, da sie keine Hoden besitzen, die Spermien produzieren.
  • Schwangerschaft trotz Testosteron: Obwohl Testosteron in den meisten Fällen den Eisprung unterdrückt, sind Schwangerschaften nicht ausgeschlossen, solange Gebärmutter und Eierstöcke vorhanden sind. Eine solche Schwangerschaft sollte jedoch medizinisch eng begleitet werden, da Testosteron Risiken für den Fötus darstellt.
  • Fruchtbarkeitsverlust: Die Hormontherapie reduziert die Fruchtbarkeit, weshalb das Einfrieren von Eizellen vor Beginn der Therapie in Betracht gezogen werden sollte.

Fazit

Die Hormontherapie ermöglicht trans* Personen, sich ihrem empfundenen Geschlecht anzunähern, und kann das Wohlbefinden erheblich verbessern. Dennoch ist es wichtig, realistische Erwartungen zu haben und sich der Grenzen und möglichen Risiken bewusst zu sein.

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