Will die CDU/CSU für die Bundestagswahl mit transfeindlicher Ideologie am rechten Rand fischen?
Der von Referent*innen im Konrad-Adenauer-Haus verfasste Entwurf des Wahlprogramms der CDU-CSU für die anstehende Bundestagswahl ist publik geworden.
Wir sind entsetzt ob der klaren, transfeindlichen Agitation, die man sonst von US- republikanischen Hardlinern wie Gouverneur De Santis (mit dem mehrere Unions-Politiker*innen guten Umgang pflegen), aus Ungarn oder hierzulande von der AfD kennt.
Gegen EU-Beschlüsse – purer Populismus
Es wird sich für eine faktische Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) eingesetzt. Dies widerspricht Resolutionen des Europarats, einem Bundesratsbeschluss und der EU Equality Strategie für 2020-2025, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgelegt hat, einer CDU-Politikerin.
Trans* zu sein ist keine Frage der Erziehung, sondern Schicksal. Zudem wird im Wahlprogramm falsch dargestellt, dass Vornamens- und Personenstandsänderungen leichtfertig vorgenommen werden. Trans* Jugendliche, die solch einen Schritt gehen wollen, müssen versichern, beraten worden zu sein und sie brauchen die Zustimmung ihrer Sorgeberechtigten. Weiterhin erfolgt die Vermischung der Änderung des Vornamens- und Geschlechtseintrags nach dem SBGG mit angleichenden medizinischen Maßnahmen wie explizit genannten Operationen. Dies ist ein populistisches Argument, welches dem Text des SBGG widerspricht: Dieses definiert eindeutig, „Medizinische Maßnahmen werden in diesem Gesetz nicht geregelt.“
Wahlprogramm gegen jede medizinische Expertise
Trans* Jugendlichen lebensnotwendige, geschlechtsangleichende Maßnahmen zu verbieten und für Erwachsene Zwangsberatungen einzuführen, widerspricht dem SGB V, schränkt die Rechte von Kindern und Jugendlichen aus der UN-Kinderrechtskonvention ein und entbehrt jeglicher fachlichen Grundlage.
Bei Fragen der Notwendigkeit von medizinischen Maßnahmen hat spezialisiertes ärztliches und psychotherapeutisches Fachpersonal die Entscheidungsgewalt, die auf medizinischen Leitlinien auf höchstmöglichem Evidenzniveau basiert. Außerdem sind die Genehmigungsverfahren der Krankenkassen überreguliert. Drei bis vier Genehmigungsinstanzen Minimum pro Maßnahme gibt es jetzt schon, eine weitere Beratungsmaßnahme ist reine Schikane.
Wir erwarten die Streichung dieser Passagen zum Selbstbestimmungsgesetz aus dem Wahlprogramm. Ferner erwarten wir die Streichung der Abschnitte zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen sowie zum Verbot von geschlechtersensibler Sprache (Genderverbot). Wer wirklich zur Geschlechtergerechtigkeit steht, erlässt keine reaktionären Sprachverbote. Nicht-binäre Menschen derart unsichtbar zu machen, widerspricht letztlich dem Grundgesetz.
Vor wenigen Tagen hat das Bundeskriminalamt erneut Zahlen zur Hassgewalt gegen LSBTI* präsentiert und eindringlich den hohen Anstieg an Straftaten angeprangert. Im Feld „geschlechtsbezogene Diversität“ gab es einen Anstieg von rund 105%!
Sicherheit nur für Cis-Heteros
Gähnende Leere in Sachen Queer – kein Wort zum Thema LSBTI*Feindlichkeit bekämpfen im Wahlprogramm. Enttäuschend auf ganzer Linie. Schwule, Lesben*, Bisexuelle sowie tin* (trans*-, inter*geschlechtliche und nichtbinäre) Menschen erleben tagtäglich queerfeindliche Attacken. Dabei betrifft das Thema Queerfeindlichkeit ja nicht nur queere Menschen selbst, sondern mindestens ein Drittel der Bevölkerung: Partnerpersonen, Angehörige, Freund*innen.
Dass sich eine „Volkspartei“ derartige Ideologie leistet und sich gegen das Grundgesetz und Gesetze und Richtlinien der EU stellt, ist beschämend und entlarvend. Diese Partei bedient sich an Äußerungen queerfeindlicher Demagog*innen (siehe Dorothee Bär / Haltung der Unionsparteien zum Gewalthilfegesetz) und bewegt sich mit einem Rückwärtskurs auf die AfD zu, anstatt für die ganze Bevölkerung eine moderne, konstruktive Partei zu sein.
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