SBGG: Das neue Selbstbestimmungsgesetz – eine erste Einschätzung zur Vornamenswahl

Einschätzung zur Vornamenswahl im SBGG
Einschätzung zur Vornamenswahl im SBGG

Von Julia Steenken

Bereits vor seinem vollständigen in Kraft treten wird das durch diverse Standesämter nicht einheitlich ausgelegt. Teilweise werden eigene Anforderungen an die Anmeldung bzw. die folgende Erklärung gestellt. Zwar hat das zuständige Innenministerium mittels Rundschreiben einen Auslegungshinweis verbreitet, dieser war jedoch in Teilen inhaltlich falsch und wurde demzufolge auch diesbezüglich berichtigt bzw. zurückgenommen. Vor allem ist er nicht rechtsverbindlich. Jedes Standesamt, letztlich auch jeder Standesbeamte, kann „seine“ Auslegung erst einmal durchsetzen. Diese ist zwar einer gerichtlichen Überprüfung im Rechtsweg offen, aber das dauert und ist mühsam.

Schon jetzt entwickelt sich bereits ein Streit über die gewählten , was allerdings ein generelles und schon länger bestehendes und kein neues *-spezifisches Phänomen ist.

Der Vorname

Anzahl der Vornamen

Hier hat das BMI mittlerweile eingesehen, dass es für seine Auffassung, dass die Anzahl der Vornamen nicht geändert werden kann, keine Rechtsgrundlage, weder im SBGG noch anderswo, geben kann. Diese ist bereits nicht mit dem (GG) vereinbar.

Anforderung an Vornamen

Hinsichtlich der Vornamen für Personen mit dem Eintrag „männlich“ oder „weiblich“ besteht bereits hinreichende Rechtssicherheit, welche Namen in der Regel zulässig sind und welche eben nicht. Interessant wird es eher im Bereich der Einträge „divers“ bzw. „ohne Zuordnung“. Zwar gibt es bereits jetzt Vornamen, die zwar im Ursprung geschlechtlich spezifisch sind, jedoch durch Gebrauch und Varianten der Schreibweise beiden binären Geschlechtern offen stehen. Ein Verweis auf bzw. Beschränkung der Wahl ist hingegen unzulässig.

Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit unter Achtung der unantastbaren Würde des Menschen. Kern dieser geschützten und garantierten Persönlichkeit ist der als Träger und Teil der Individualität. Er ist der Adressat der Persönlichkeit, die individuelle Visitenkarte. Aus diesem Grund sind der Wahl eines Vornamens durch die Eltern, handelnd in Vertretung des hierzu noch nicht fähigen und somit berechtigten Kindes, bestimmte Grenzen und Auflagen erteilt.

Grundsätzlich ist das Recht der (Vor-)Namensgebung in Deutschland nur teilweise gesetzlich geregelt. Es handelt sich um Gewohnheits- und um Richterrecht. Etabliert und derzeit gefordert gilt hinsichtlich Vornamen

  • … muss als Vorname erkennbar sein
    • … darf kein weitverbreiteter Orts- oder Markenname sein.
    • … darf kein Familienname sein.
    • … darf keinen Titel oder Rang/Dienstgrad bezeichnen.
  • … darf dem Kindeswohl nicht schaden, indem er das Kind lächerlich machen oder eine Verbindung „zum Bösen“ herstellen würde.
  • … darf das religiöse Empfinden der Mitmenschen nicht verletzen.
  • Er muss nicht eindeutig einem zuzuordnen sein.

Zu diesen etablierten, grundsätzlichen und generellen Anforderungen gibt es zahlreiche Ausnahmen, die hier nicht behandelt werden sollen. Auch vor dem Hintergrund von gerichtlichen Entscheidungen in anderen Sachen ist die Forderung, dass der Vorname das religiöse Empfinden der Mitmenschen nicht verletzen darf, nicht mehr absolut und durchsetzbar. Man sollte es trotzdem beachten.

Neugeborene

Auch wenn diese in der Regel kein Fall im Rahmen des SBGG sind, so führe ich sie, in Hinblick auf die Möglichkeit bei der Geburt den Geschlechtseintrag offen zu lassen, trotzdem auf.

Hier sollten Eltern extrem vorsichtig und verantwortungsbewusst sein. Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass ihr Kind mit diesem Vornamen sein ganzes Leben bestreiten muss. Ein „Luke Sky Walker“ ist zwar zulässig und bereits beurkundet worden, wird aber das Kind sein ganzes Leben lang mit einer Sci-Fi Saga verbinden und ist eher geeignet, dieses lächerlich zu machen, als ihm einen unbeschwerten Start in sein Leben zu ermöglichen.

Zwischen Aafje (w) und Zyamme (w) ist zwar ein weites Feld und auch wenn die Ur-Urgroßmutter Fokemina hieß und eine tolle Frau war, sollte man heutzutage einen anderen Namen wählen.

Beschränkt geschäftsfähige Minderjährige

Hier gilt zwar auch das vorgesagte, doch hat diese Personengruppe einen weiteren Spielraum der , da sie hier für sich entscheiden. Die Eltern haben hier nur noch bedingt und im abnehmendem Maße mit zunehmenden Alter des Kindes ein Mitbestimmungsrecht. Es ist eher ein Recht, beraten zu dürfen. Der Vorname des Kindes ist Teil dessen Persönlichkeit. Sein Recht auf Entfaltung ist Verpflichtung für die Eltern und entzieht den Eltern im Maße der Zunahme der Fähigkeit zur Willensbildung und Kundgabe dieses ihr Bestimmungsrecht.

Volljährige

Auch wenn diese gut beraten sind, wenn sie sich an die Grundsätze der Vornamenswahl halten, so verschwindet hier der Aspekt des Kindeswohls vollständig. Unter Berücksichtigung des „Rechts auf Selbstschädigung“ verbleibt einzig, dass der Vorname

  • … als Vorname erkennbar sein muss
    • … darf kein weitverbreiteter Orts- oder Markenname sein.
    • … darf kein Familienname sein.
    • … darf keinen Titel oder Rang/Dienstgrad bezeichnen.
    • Er muss nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen sein.

Hinsichtlich Ausnahmen und der religiösen Gefühle gilt das grundsätzlich Ausgeführte.

Ungewöhnliche / Nicht-binäre Vornamen

Es gibt sie bislang nicht. Es gibt nur solche, die bislang schon durch Personen männlichen und weiblichen Geschlechtes verwendet wurden und somit bereits jetzt, obwohl sie von der Herkunft  binär sind, nicht mehr streng binär sind. Es sind aber keine originär und eindeutig nicht-binäre Vornamen.

Da, wie bereits vorstehend ausgeführt, das Namensrecht Gewohnheits- bzw. Richterrecht ist, kann ein Standesbeamter einen Vornamen bei einer nicht-binären Person nur dann zurückweisen, wenn ein Richter ihn hierzu ermächtigt hat. Wenn der gewählte Vorname die vorstehenden Anforderungen erfüllt, so sollte bei Verweigerung durchaus eine gerichtliche Überprüfung eingefordert und der Rechtsweg beschritten werden.

Beibehaltung des Vornamens

Die Formulierung des diesbezüglichen § 2 Abs. 3 S. 1 SBGG gibt einer Verweigerung keine Grundlage, da er einzig die Bestimmung des Vornamens verlangt, der zukünftig geführt werden soll. Die dies präzisierende Forderung, dass sie dem zukünftigen Geschlecht entsprechen muss, läuft vor dem Hintergrund einer diesbezüglich bereits ergangenen Entscheidung des BVerfG ins Leere und ist somit nicht zu stellen. Eine Zurückweisung eines (bisherigen) Vornamens ist unzulässig, da sie bereits nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist.

Teilen auf:

Begriffe der letzten 30 Tage
Austausch Ahlebeck das dem Phänomen der Transsexualität ein behandlungsbedürftiger und auch behandlungswerter Leidensdruck mitunter innewohnt. Ausschluss Bundesministeriums der Justiz auting Bündnis 90/Die Grünen arbeitssicherheit Anliegen § 45b PStG Achtsamkeit Ally-Strategien Archiv Bundesärztekammer community AceAlly Candles CSD Bodensee Awareness Alkohol AK ST Bundesverfassungsgericht Bußgeld Misgendern Beratungsstelle AK Nord Beratung für trans* und inter* Menschen AGG-Reform (co) unsplash.com Bi- Authentizität Bündnis Akzeptanz und Vielfalt Frankfurt BSG § 175 Business Case Bundesvorstand Coming-out AK Berlin-Brandenburg Additional Information Supplemental ID Christentum Berater*innen Aurich Auswirkungen Hormontherapie auf Sexualität Ausbildung Blutspenderichtlinien Barrieren Antidiskriminierungsarbeit Bundesverdienstkreuz Arbeitskreis biologie Begutachtung bundesweit Bundeswehr AceErasure Ausbildungsschule Buchtipps Antifeminismus Ärzt*innen BCG #deinedgti comingout Cis Menschen AkzeptanzFürAlle Balian Buschbaum Checkliste Beratung Allgäu Bundesverband Trans* Archive Anerkennung 3. Reich Coming Out Corona Brighton Bayern Barcelona (co) unsplsch Blutspenderichtlinien anpassen Alice Schwarzer AMKA anstatt Bankverbindung der dgti e.V. Angehörige Couple 26 Jahre Begleitung Allgemein Aufklären Berlin-Alexanderplatz AcePride Bundesgeschäftsstelle cdu Bartpflege äußeres Coming-out cdu wahlprogramm Amsterdam Chancengleichheit 1987 Arbeit Best Practices AWMF-S3-Leitlinie AK Info Bankkarte AK NRW AK TH Antidiskriminierung Coming Out Day beziehungstipps Beratung bundesweit androgyn BGH Constantin Jahn Amateurfußball Alexander Korte Bielefeld Brandenburg Berufsunfähigkeitsversicherung Augsburg AK Hessen AK angleichende Maßnahmen Bank #deine dgti Arbeitskreises Queere Jugendarbeit Bistum Limburg Bundestag AK RLP Ärztetag Bildungseinrichtungen Alltagstest Ausdruck Beratungsstelle Bayern Baden-Württemberg Gruppenmitglied bezeichnen sich als Agender. Ausland ARD Beitrag AK Sport Anpassung Berlin-Brandenburg Bad Münster am Stein-Ebernburg Bundesminister Karl Lauterbach Beleidigung Belegschaft Altersverteilung von trans* Personen §45b BigBrother AsexualitätErklärt Begutachtungsrichtlinie AGB Bedürfnisse Cisgender Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften D&I Christlich Asterisk AK Öffentlichkeitsarbeit Allies Abstammungsrecht Bundesministerium des Innern Bildung Beratenden Ausbildung Arbeitsplatz AsexualSpectrum Braunschweig Adrian Hector Aufklärung Bundesstiftung Magnus Hirschfeld angriffe auf die dgti e.V. Crossdressing Arbeitsrecht AceSupport Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Ansbach Athlet*innen Beratungsgespäch AOK Axel Springer Verlag Alter Art. 3 Bild Ära AGG Bundesärztekammer Offener Brief Claudia Jürgen Clüsserath Bildungsabschlüsse §45b PStG Arbeitgeber*innen Bundesregierung Akzeptanz 19. September AceFlag Bundesjustizminister Marco Buschmann Augenhöhe Anerkennung am Arbeitsplatz Baden-Württemberg Best Ally Award AWMF Bundesgerichtshof Bundessozialgericht zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen (1987) Andrea Ottmer Bundesarbeitsgericht Chancen agender Aromantik Bündnis Bundessozialgericht Damian Kusenberg Beratungsstelle RLP CDU/CSU Aktivistin Betterplace Bürokratie Bekämpfung der Fetischisierung von trans* Personen §192a StGB cis-Männer Bundespolitik Arbeitsumfeld §175 Binder Bücher Berlin Benachteiligung Bathroom Bill Affiliate AOK Rheinland-Pfalz/Saarland Bundesrat dann möchten wir (meist) auch in der gefühlten Identität leben. ArbeitsplatzInklusion Bündnis zum Abstammungsrecht Bad Kreuznach Begutachtungsanleitung AK SN Covid code Christiane Rohleder Antrag § 192 Buchtipp Ärztekammer (Deutschland) Artikel 3 Grundgesetz AK Bayern Alltagserfahrung Bundespolitk AsexualAwareness alina AK trans*hopo AsexualAwarenessWeek AsexualVisibility Asexualität Attraktivität für Beschäftigte

Weitere interessante Artikel

Eine künstlerische Nahaufnahme zur verdeutlichung des Themas "Stimmtransition bei trans* Personen"mit lebendigen Neonfarben. Eine Hand berührt nachdenklich das Kinn. Der untere Teil des Gesichts ist sichtbar, während der Rest außerhalb des Bildrahmens liegt. Die gesamte Szene ist in leuchtenden Farbtönen von Türkis, Pink, Orange und Grün beleuchtet. Wellenförmige, farbige Lichtmuster überlagern das Bild und erzeugen einen surrealen, digitalen Kunsteffekt. Die Ästhetik erinnert an moderne digitale Kunst oder Vaporwave-Stil mit starken Farbkontrasten und einer traumhaften Atmosphäre.

Stimmtransition bei trans* Personen: Wege zur stimmigen Identität

Deine Stimme ist wie eine akustische Visitenkarte. Sie verrät nicht nur, ob du erkältet bist oder aufgeregt, sondern wird gesellschaftlich auch stark mit Geschlechtsidentität verknüpft. Für viele trans* Personen spielt die Stimme daher eine entscheidende Rolle im Transitionsprozess. Aber wie läuft eine Stimmtransition bei trans* Personen eigentlich ab? Welche Unterschiede

Weiterlesen »

Mehr als nur „genderkritisch“: Warum die TERF-Ideologie gefährlich ist

Der Begriff „TERF“ geistert immer wieder durch Debatten über Geschlecht und Feminismus – oft laut und kontrovers. Doch was steckt eigentlich dahinter? TERF steht für „Trans-Exclusionary Radical Feminist“, also Trans-ausschließende radikale Feminist*innen. Diese Strömung schließt trans Personen, insbesondere trans Frauen, aus ihrer Definition von „Frau“ und aus feministischen Kämpfen aus.

Weiterlesen »
Erfahrungsberichte zum Selbstbestimmungsgesetz gesucht

Erfahrungsberichte gesucht!

Schreib uns deine Erfahrungen: Seit Anfang November 2024 können Erklärungen nach dem Selbstbestimmungsgesetz abgegeben und so Geschlechtseintrag und Vornamen geändert werden. Viele Personen haben von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht. Andere warten vielleicht gerade noch auf ihren Termin beim Standesamt und fragen sich, was sie dann eigentlich genau erwartet.  Für

Weiterlesen »
Logo der dgti e.V.

Spenden Sie für unsere Arbeit

Datenschutz
, Inhaber: (Firmensitz: Deutschland), verarbeitet zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in der Datenschutzerklärung.
Datenschutz
, Inhaber: (Firmensitz: Deutschland), verarbeitet zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in der Datenschutzerklärung.