Reue nach Geschlechtsangleichung: Warum manche Trans*personen ihre OP hinterfragen

Die Entscheidung für eine geschlechtsangleichende () oder ist ein tiefgreifender und bedeutender Schritt im Leben vieler Personen. Sie markiert oft den Beginn eines neuen, authentischeren Lebensabschnitts. Doch während gut 99% der trans* Menschen nach einer Geschlechtsangleichung ihr Glück finden, gibt es auch Fälle, in denen Betroffene ihre Entscheidung im Nachhinein bedauern. Obwohl dieses Phänomen also statistisch selten ist, wird es medial oft dramatisiert dargestellt, ohne dabei Zahlen transparent zu nennen oder die tieferliegenden Gründe angemessen zu beleuchten. Was führt also tatsächlich zu dieser Reue, wie häufig kommt sie vor, und wie können wir besser unterstützen, um solchen Situationen vorzubeugen?

Die Zahl der trans* Personen, die ihre geschlechtsangleichenden Maßnahmen bereuen oder detransitionieren, ist sehr gering, variiert jedoch je nach Studie und Kontext. Studien zeigen, dass die Rate des Bedauerns nach geschlechtsangleichenden Operationen zwischen 0,3 % und 2 % liegt. Die niederländische „Amsterdam Cohort of Gender Dysphoria Study“ fand beispielsweise Bedauern bei nur 0,6 % der trans Frauen und 0,3 % der trans Männer nach Gonadektomien (Wiepjes et al., 2021). Eine globale Umfrage unter Chirurgen ergab eine Bedauernsrate von lediglich 0,27 % bei insgesamt 22.725 Patient*innen (Bustos et al., 2021).

Auch Detransition ist selten und wird oft durch externe Faktoren wie soziale Ablehnung oder Diskriminierung motiviert. Laut einer Langzeitstudie betrug die Rate von Jugendlichen, die zu einer cisgeschlechtlichen Identität zurückkehrten, lediglich 2,5 % (Wiepjes et al., 2021). Studien aus den Niederlanden berichten, dass nur 1,9 % bis 3,5 % der Jugendlichen die Behandlung mit Pubertätsblockern abbrachen, und es gibt keine Hinweise auf signifikante Bedauerraten bei irreversiblen Behandlungen in dieser Altersgruppe (Wiepjes et al., 2021).

Warum manche trans* Personen ihre Operation bereuen

Die Gründe, aus denen trans* Personen ihre geschlechtsangleichende Operation bereuen, sind vielfältig und komplex:

  1. Unzureichende Vorbereitung und : Eine gute Beratung ist entscheidend. Einige Betroffene fühlen sich jedoch rückblickend nicht ausreichend informiert oder betreut. Insbesondere bei psychologischen und medizinischen Risiken wünschen sich manche trans* Personen mehr Transparenz und Unterstützung (Coleman et al., 2022). Um genau diese Lücke zu schließen, bietet die dgti Peer-Beratungsangebote für Trans*personen und deren Angehörige an.
  2. Unrealistische Erwartungen: Oft wird die Operation als Lösung aller persönlichen Konflikte angesehen. Bestehen nach der Operation weiterhin psychische Herausforderungen oder Unzufriedenheiten, entsteht schnell ein Gefühl der Enttäuschung und Frustration (Dhejne et al., 2014). Ein Austausch mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, kann hierbei helfen, realistischere Erwartungen zu entwickeln und sich besser vorzubereiten.
  3. Soziale und familiäre Belastungen: Gesellschaftlicher Druck und familiäre Ablehnung spielen ebenfalls eine große Rolle. Negative Reaktionen oder mangelnde im persönlichen Umfeld können zu erheblichen psychischen Belastungen führen, die Reue und Zweifel nach der Operation hervorrufen können (Herman et al., 2019). Für viele ist eine Community und gegenseitige Unterstützung entscheidend – nutze das Netzwerk der dgti für Austausch und Unterstützung.
  4. Medizinische Komplikationen und ästhetische Ergebnisse: Körperliche Komplikationen oder Ergebnisse, die nicht den Erwartungen entsprechen, können die Lebensqualität nach der Operation stark beeinträchtigen. Solche Schwierigkeiten können die Freude an der erzielten Geschlechtsangleichung deutlich schmälern (Van de Grift et al., 2018).

Statistische Fakten zu Reuequoten bei geschlechtsangleichenden Operationen

Die Forschung zeigt, dass die Rate der Reue insgesamt sehr niedrig ist. Laut einer umfassenden Studie bereuen lediglich etwa 1 bis 2 % der Menschen ihre Entscheidung für eine geschlechtsangleichende Operation langfristig (Wiepjes et al., 2021). Diese Zahlen zeigen, dass die meisten trans* Personen mit ihrer Wahl langfristig glücklich sind. Zum Vergleich: Reuequoten bei Brustvergrößerungen liegen beispielsweise bei 6 bis 8%, und bei kosmetischen Nasenoperationen bei bis zu 15% (Bustos et al., 2021).

Allerdings gibt es methodische Herausforderungen: Unterschiedliche Definitionen von „Reue“, Schwierigkeiten bei Langzeitstudien und historische Unterschiede in der Akzeptanz sowie Qualität der Eingriffe machen die Datenerhebung komplex (Danker et al., 2018).

Wie eine verbesserte Beratung helfen kann

Um langfristige Zufriedenheit nach einer geschlechtsangleichenden Operation sicherzustellen, ist eine umfassende und empathische Beratung unerlässlich:

  • Zeit zur Selbstreflexion ermöglichen: Beratungsstellen wie die der bieten genau diese Räume zur Reflexion und Entscheidungshilfe.
  • Kontinuierliche psychologische Unterstützung: Eine regelmäßige psychologische Begleitung vor und nach der Operation hilft bei Unsicherheiten und Herausforderungen.
  • Realistische Erwartungen fördern: Klare, ehrliche und offene Gespräche über Chancen, Risiken und realistische Ergebnisse der Operation helfen, Enttäuschungen vorzubeugen.

Gemeinsam unterstützen und begleiten

Die Ursachen für Reue besser zu verstehen, ermöglicht eine effektivere Unterstützung. Hierbei spielen Beratung und gegenseitige Unterstützung in der Community eine zentrale Rolle. Wenn du die Arbeit der dgti unterstützen möchtest, werde gerne Fördermitglied oder hilf uns mit einer Spende, unsere Angebote noch besser zu gestalten.

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