128. Deutscher Ärztetag – Beschlüsse gegen Selbstbestimmung

Statement zur Bathroom Bill in UK
dgti Pressemitteilung / Stellungnahme

Am 10. Mai 2024 fand der 128. Deutsche in Mainz statt. In dieser Zusammenkunft der wurden zwei kontroverse Anträge vorgelegt, die stark konservative politische Strömungen aus den USA und Europa widerspiegeln und sich gegen die Rechte von und nicht-binären Jugendlichen richten.

Diese Beschlüsse sind der politisch motivierte und fachlich irreführende Versuch, der kurz vor der Veröffentlichung stehenden AWMF S2k Leitlinie Geschlechtsdysphorie bei Kindern und Jugendlichen, der Einführung des neuen Diagnosekatalogs ICD-11 der Weltgesundheitsorganisation WHO in Deutschland und einer in Arbeit befindlichem Neuregelung der Gesundheitsversorgung trans* und nicht-binärer Menschen im Sozialgesetzbuch V zuvor zu kommen.

Beratungszwang unter 18 Jahren für Personenstandsänderung

Beschlossen wurde die Forderung nach einer psychologisch-psychiatrische Zwangsberatung trans* und nicht-binärer Minderjähriger (Beschlussantrag Ic – 128), obwohl diese wie Erwachsene nicht an einer psychischen Störung leiden, so die WHO. Rechtliche Änderungen können ohne Schaden für die Gesundheit wieder rückgängig gemacht werden. Ein Stück Papier wie ein neuer Pass rechtfertigt so ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte nicht. Die Forderung richtet sich gegen Grundrechte, internationale Vereinbarungen wie die UN-Kinderrechtskonvention und die ICD-11 Klassifikation. Nicht ohne Grund haben sich psych. Fachkräfte gegen die nach dem Transsexuellengesetz noch nötige Begutachtung ausgesprochen. Der Beschlussantrag enthält die Falschbehauptung, eine Personenstandsänderung von Minderjährigen wäre ohne Zustimmung weiterer Beteiligter möglich.

Geschlechtsangleichende Therapien für Jugendliche nur unter Zwang zur Teilnahme an Studien ?

Die Gesundheitsversorgung von trans*Jugendlichen steht seit längerer Zeit im Fokus von Trans* feindlichen Akteur*innen  und Medienberichten, die vor allem mit Falschinformationen den Diskurs beeinflussen, um den Zugang von trans*Jugendlichen zur Gesundheitsversorgung zu verhindern. Der Beschlussantrag Ic – 48, der beim Deutschen Ärztetag eingebracht und mehrheitlich beschlossen wurde, reiht sich hier nahtlos ein.  

Bei trans* und nicht-binären Jugendlichen liegt eine sogenannte Geschlechtsinkongruenz im Jugend- und Erwachsenenalter (HA60, ICD11) vor. Die WPATH Standards of Care, Version 8 (2022) und die AWMF-S3-Leitlinie Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit: Diagnostik, Beratung, Behandlung liefern die Behandlungsgrundlagen bei Erwachsenen.

Auch für Jugendliche geben die Standards of Care evidenzbasierte Empfehlungen, die in eine deutsche Leitlinie implementiert werden. Die AWMF S2k-Leitlinie Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter: Diagnostik und Behandlung ist derzeit in der Fertigstellung und löst die bereits ausgelaufene und veraltete S1-Leitlinie: „Störungen der im Kindes- und Jugendalter“ ab. Bereits 1980 wurde im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders 3. Edition die Diagnose „Gender identity disorder of childhood“ eingeführt. Trans*Jugendliche sind also kein Trend. Eine „soziale Ansteckung“ entspringt der Imagination.

Die Behauptung, dass pubertätsblockierende Medikamente, Hormontherapien und geschlechtsangleichende Maßnahmen bei trans*Jugendlichen keine Verbesserung der Geschlechtsdysphorie und der psychischen Gesundheit liefern würden, entbehrt jeglicher Grundlage. Die Evidenz der Studien belegt sehr wohl die verbesserte psychische Gesundheit, insbesondere auch die Suizidrate verringert sich dadurch.

128. Deutscher Ärztetag stiftet Verwirrung bei Medizinethik

Die Antragstellenden des Deutschen Ärztetags verkennen, dass die Evidenzlage aufgrund methodischer Limitierungen entsprechend etwas niedriger liegt. Es ist medizinethisch schlicht nicht vertretbar, Studien mit Kontrollgruppen zur Wirksamkeit von Medikamenten wie Pubertätsblockern durchzuführen. Aus dem gleichen Grund ist die Mehrheit aller regelmäßig verordneten Medikamente für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen und werden trotzdem verordnet.

Dennoch liegt der Evidenzgrad für die medizinische Behandlung von trans*Jugendlichen mit einem S2k-Niveau höher als die bisherigen Leitlinien. Die Antragstellenden haben verschwiegen, dass es sich bei den pubertätsblockierenden Medikamenten, um seit Jahrzehnten für den Einsatz bei Pubertas Praecox oder in der Behandlung von Karzinomen zugelassene Medikamente handelt, deren Auswirkungen reversibel sind. Würden Pubertätsblocker in den USA, wo sie für die Therapie der Pubertas Precox zugelassen sind, im Rahmen dieser Therapie geschlechtliche Inkongruenz hervorrufen, wäre die Zulassung längst zurückgezogen.

Rechtlich gesehen gibt es keine Altersgrenze für notwendige, indizierte medizinische Maßnahmen. Medizinisch gesehen können Jugendliche einwilligungsfähig sein und die Entscheidung zum Start von geschlechtsangleichenden Maßnahmen treffen.  Das Informed Consent Prinzip ist dabei hilfreich, auch wenn die Behandelnden die Macht über Diagnose- und Indikationsstellung behalten. Dieses Modell der Trans* Gesundheitsversorgung sorgt für hohe Zufriedenheit der Patient*innen. All das wird von den Antragstellenden beim Ärztetag verschwiegen.

Ärztetag: Politisch – nicht medizinisch-wissenschaftlich motiviert

Abschließend ist zu betonen, dass die Anträge des Ärztetags politisch motiviert zu sein scheinen und nicht auf einer fundierten medizinischen oder wissenschaftlichen Basis stehen. Die darin enthaltenen Falschinformationen können der Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der Fachwelt im Vorfeld einer im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarten Sicherung von Gesundheitsleistungen für alle trans*, und nicht-binären Personen im SGB V dienen. 

Teilen auf:

Begriffe der letzten 30 Tage
Barcelona arbeitssicherheit auting Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Attraktivität für Beschäftigte Coming Out Beratungsstelle Bayern Bankverbindung der dgti e.V. Alltagstest Bildungseinrichtungen Ansbach AK NRW §175 Christlich AK Sport Additional Information Supplemental ID Christiane Rohleder Barrieren Arbeitskreises Queere Jugendarbeit Bistum Limburg Adrian Hector Beratungsstelle Asexualität Buchtipps Bielefeld agender Achtsamkeit AceSupport Berater*innen Auswirkungen Hormontherapie auf Sexualität Authentizität Beratung für trans* und inter* Menschen Bundesgerichtshof AK Beleidigung BCG AWMF-S3-Leitlinie Bankkarte Blutspenderichtlinien anpassen Bundessozialgericht zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen (1987) Aktivistin Anerkennung am Arbeitsplatz Aurich Archiv Coming Out Day Christentum Angehörige ArbeitsplatzInklusion Begutachtungsrichtlinie § 192 Crossdressing cis-Männer Aufklären Claudia Jürgen Clüsserath AK Bayern dann möchten wir (meist) auch in der gefühlten Identität leben. §192a StGB Bundessozialgericht Antidiskriminierungsarbeit § 175 AceAlly Begutachtungsanleitung code Bad Münster am Stein-Ebernburg Beratungsstelle RLP Best Practices AK trans*hopo Alkohol Allgäu Arbeitgeber*innen Bundesrat AOK Rheinland-Pfalz/Saarland AK Hessen Affiliate Bündnis Akzeptanz und Vielfalt Frankfurt Bündnis Baden-Württemberg Baden-Württemberg Gruppenmitglied 26 Jahre Bundesverdienstkreuz Bundespolitk cdu wahlprogramm Bedürfnisse Bodensee Allies Abstammungsrecht AceErasure Bundesjustizminister Marco Buschmann ARD (co) unsplsch Couple Axel Springer Verlag androgyn AcePride Bekämpfung der Fetischisierung von trans* Personen Bücher Brighton Athlet*innen Beratung bundesweit CDU/CSU Bildungsabschlüsse Checkliste AsexualAwareness Bündnis 90/Die Grünen Ausbildungsschule Arbeit Amsterdam AK SN D&I 1987 Art. 3 AsexualVisibility Bundesärztekammer Offener Brief Corona Coming-out Blutspenderichtlinien Benachteiligung Ärztekammer (Deutschland) Ära Austausch Arbeitsplatz 19. September Ärztetag Arbeitsumfeld Bußgeld Misgendern §45b PStG BigBrother Betterplace biologie Best Ally Award § 45b PStG AK ST Bi- Bundesvorstand BGH Bundeswehr Braunschweig AK Öffentlichkeitsarbeit das dem Phänomen der Transsexualität ein behandlungsbedürftiger und auch behandlungswerter Leidensdruck mitunter innewohnt. Bundesregierung Begutachtung Ausland Ausbildung Ausschluss Amateurfußball Chancengleichheit AK TH alina äußeres Coming-out Ally-Strategien Altersverteilung von trans* Personen Bundestag Alter Bundesministeriums der Justiz (co) unsplash.com Alexander Korte Beitrag #deine dgti Ausdruck Berlin-Alexanderplatz Asterisk Aufklärung Antrag Bundesministerium des Innern Awareness 3. Reich Ärzt*innen Bundesärztekammer Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften Anpassung anstatt AK Berlin-Brandenburg AsexualSpectrum Damian Kusenberg Bundespolitik Archive Aromantik Bayern AGB Beratung AceFlag Antidiskriminierung Berufsunfähigkeitsversicherung Beratungsgespäch Bathroom Bill Anerkennung Begleitung Allgemein Berlin AsexualitätErklärt Arbeitskreis AK Info AMKA Akzeptanz Bild Belegschaft angriffe auf die dgti e.V. bundesweit Augsburg Cisgender AK RLP Beratenden Ausbildung AOK CSD Bundesverband Trans* #deinedgti AGG BSG bezeichnen sich als Agender. AkzeptanzFürAlle Binder Bundesverfassungsgericht §45b Bad Kreuznach Balian Buschbaum Antifeminismus beziehungstipps Bundesgeschäftsstelle angleichende Maßnahmen Bank community AGG-Reform Alice Schwarzer AsexualAwarenessWeek Bartpflege Bundesarbeitsgericht Artikel 3 Grundgesetz Buchtipp Augenhöhe Bildung Berlin-Brandenburg Alltagserfahrung comingout AWMF Anliegen Business Case Ahlebeck Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz cdu Constantin Jahn Bürokratie Cis Menschen Arbeitsrecht Andrea Ottmer Candles Bündnis zum Abstammungsrecht Bundesminister Karl Lauterbach Covid Brandenburg AK Nord Chancen

Weitere interessante Artikel

Mehr als nur „genderkritisch“: Warum die TERF-Ideologie gefährlich ist

Der Begriff „TERF“ geistert immer wieder durch Debatten über Geschlecht und Feminismus – oft laut und kontrovers. Doch was steckt eigentlich dahinter? TERF steht für „Trans-Exclusionary Radical Feminist“, also Trans-ausschließende radikale Feminist*innen. Diese Strömung schließt trans Personen, insbesondere trans Frauen, aus ihrer Definition von „Frau“ und aus feministischen Kämpfen aus.

Weiterlesen »
Erfahrungsberichte zum Selbstbestimmungsgesetz gesucht

Erfahrungsberichte gesucht!

Schreib uns deine Erfahrungen: Seit Anfang November 2024 können Erklärungen nach dem Selbstbestimmungsgesetz abgegeben und so Geschlechtseintrag und Vornamen geändert werden. Viele Personen haben von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht. Andere warten vielleicht gerade noch auf ihren Termin beim Standesamt und fragen sich, was sie dann eigentlich genau erwartet.  Für

Weiterlesen »
Eine künstlerische Nahaufnahme zur verdeutlichung des Themas "Stimmtransition bei trans* Personen"mit lebendigen Neonfarben. Eine Hand berührt nachdenklich das Kinn. Der untere Teil des Gesichts ist sichtbar, während der Rest außerhalb des Bildrahmens liegt. Die gesamte Szene ist in leuchtenden Farbtönen von Türkis, Pink, Orange und Grün beleuchtet. Wellenförmige, farbige Lichtmuster überlagern das Bild und erzeugen einen surrealen, digitalen Kunsteffekt. Die Ästhetik erinnert an moderne digitale Kunst oder Vaporwave-Stil mit starken Farbkontrasten und einer traumhaften Atmosphäre.

Stimmtransition bei trans* Personen: Wege zur stimmigen Identität

Deine Stimme ist wie eine akustische Visitenkarte. Sie verrät nicht nur, ob du erkältet bist oder aufgeregt, sondern wird gesellschaftlich auch stark mit Geschlechtsidentität verknüpft. Für viele trans* Personen spielt die Stimme daher eine entscheidende Rolle im Transitionsprozess. Aber wie läuft eine Stimmtransition bei trans* Personen eigentlich ab? Welche Unterschiede

Weiterlesen »
Logo der dgti e.V.

Spenden Sie für unsere Arbeit

Datenschutz
, Inhaber: (Firmensitz: Deutschland), verarbeitet zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in der Datenschutzerklärung.
Datenschutz
, Inhaber: (Firmensitz: Deutschland), verarbeitet zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in der Datenschutzerklärung.