Die Bundesregierung hat heute den Entwurf (Stand 23.8.2023) eines Gesetzes über die “Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften” im Kabinett beschlossen.
Pressemitteilung der dgti e.V. zum Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) zum Kabinettsbeschluss vom 23.08.2023
Heute hat das Bundeskabinett den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz
„Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften für das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG)“
verabschiedet und damit das weitere parlamentarische Gesetzgebungsverfahren endlich ermöglicht.
Wir begrüßen den Fortschritt im laufenden Verfahren. Die Abschaffung der Diskriminierung durch das sogenannte „Transsexuellengesetz“ (TSG) ist ein langer Weg und ein harter Kampf – vor 11 Jahren legte die dgti mit anderen Vereinen bereits das Forderungspapier zu einer TSG-Reform vor und forderte geschlechtliche Selbstbestimmung.
„Geschlechtliche Selbstbestimmung“ bedeutet für uns das Menschenrecht, entsprechend dem erlebten Geschlecht ohne vermeidbare Benachteiligungen leben zu können. Dies schließt Grundrechte, Personenstandsrecht, Abstammungsrecht, Kinderrechtskonvention, das Sozialgesetzbuch und viele weitere Rechtsgebiete mit ein. Wahre Selbstbestimmung liegt nur vor, wenn sie frei von äußerem Zwang und allein dem selbstbestimmten Zeitpunkt, Zeitrahmen und Umfang unterworfen ausgeübt werden kann.
Vor allem ist uns die Feststellung wichtig, dass es sich bei geschlechtlicher Selbstbestimmung nicht um die “Einbildung einer kleinen, verschrobenen Minderheit” handelt, sondern um die Wahrnehmung der verfassungsrechtlich verbrieften Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG. Hieran hat das Bundesverfassungsgericht, sowie auch der EuGH in seiner Zuständigkeit, nie einen Zweifel aufkommen lassen.
Gegenüber dem 2022 vorgelegten Eckpunktepapier und dem bisherigen Referentenentwurf ist auch der jetzt vorliegende Gesetzesentwurf der Bundesregierung an mehreren Stellen zurückgefallen und kann unter Umständen auch Verschlechterungen gegenüber dem TSG bedeuten:
Die Begrenzung der Wirksamkeit der Änderung bei Ausländern im Falle eines Ereignisses, dass zur Abschiebung führt, ist unverhältnismäßig und ist abzulehnen. Hier werden Geflüchtete trans* Personen unter Generalverdacht gestellt. Auch die Beibehaltung der 3-Monatsfrist lässt uns kopfschüttelnd zurück. Diese ist ebenfalls abzulehnen.
Die Aufzählung an wen Daten trotz Offenbarungsverbot übermittelt werden dürfen verunsichert und lässt an dunkle Zeiten erinnern, in denen Listen über queere Menschen geführt wurden. Dass hier die Rechtslage sich dem TSG gegenüber nicht ändert, ist ein schwacher Trost.
Die Regelungen zu trans*Elternschaft basieren auf biologistischen Annahmen und verwehren trans*Personen die rechtliche Anerkennung ihrer sozialen Elternrollen. Queere Elternschaften sind heute längst möglich und auch bereits im Recht abbildbar. Deutlich wird hier die konservative Grundhaltung des Gesetzgebers.
Insgesamt stellt der Entwurf nur einen ersten Schritt in die geschlechtliche Selbstbestimmung dar. Enttäuschend sind die fehlenden Nachbesserungen durch den Gesetzgeber, die Verbändeanhörung blieb im Kabinett trotz der lautstarken Kritik erfolglos , die auch in unserer Stellungnahme deutlich wurde. Der Bundestag muss dann im weiteren Gesetzgebungsverfahren nachbessern.
Jenny Wilken
Leitung Bundesgeschäftsstelle
Weitere Ressourcen: Mitteilung des BMFSFJ zum Kabinettsbeschluss